Was wären die Kirchen des Klosters Maulbronn ohne ihre wunderbaren Orgeln? Das war beileibe nicht immer so. Die erste nachgewiesene Orgel in der Klosterkirche (Sommerkirche) wurde im Jahre 1613 durch die Orgelmacher Conrad Schott und Jakob Gansser aus Stuttgart erbaut. Auch in den darauffolgenden Jahrhunderten gab es immer wieder Epochen, in denen – sei es durch Konstruktions- oder Wartungsmängel, sei es durch die unvermeidliche Alterung – keine bespielbaren Orgeln zur Verfügung standen.
Den Status Quo mit der großartigen "Grenzing-Orgel" in der Klosterkirche und der kleineren, aber dennoch sehr schönen Orgel in der Winterkirche verdanken wir nicht zuletzt dem Engagement zahlreicher kulturbegeisterter Unterstützer und Förderer, sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen. In erster Linie, um den Bau einer neuen Orgel in der Winterkirche zu ermöglichen, wurde 1994 auf Initiative von Kantorin KMD Erika Budday der Orgelförderverein Kloster Maulbronn e.V. gegründet.
Die Orgel der Klosterkirche
Geschichtliches
Die Orgelgeschichte des Klosters beginnt um 1613. Jakob Ganßer, Schreiner und Orgelmacher in Cannstatt, der beim blinden Orgelmacher Conrad Schott arbeitet, verfertigt in dieser Zeit ein Orgelwerk für das Kloster. Um 1715 setzt Joseph Friedrich Baumeister die Klosterorgel "zur Zufriedenheit" instand. Vielleicht handelt es sich um jene, die man später als ein "schon länger aufbewahrtes Örgelein" in der Klosterbibliothek findet. Die Klosterkirche wird von 1800 bis 1810 nicht für gottesdienstliche Zwecke benützt. Das Landeskirchliche Archiv beschreibt für diesen Zeitraum skandalöse Zustände: Mehrere Personen besitzen einen Kirchenschlüssel; Kinder schaukeln an den Glockenseilen; Zimmerleute benützen den Boden im Kirchenschiff als Zimmerplatte; aus dem alten großen Orgelwerk werden Pfeifen herausgenommen und liegen verstreut umher. Strohhaufen liegen in der Kirche, die bei offenen Toren Hühner und Gäule, ja sogar Schweine herbeilocken. 1811 setzt Karl Brötler die Orgel in der Klosterkirche mit ihren 20 Registern, davon 6 im Rückpositiv, "in guten Stand". Bald zeigt sich ein neuer Missstand: Der Mesner lässt das Orgeltreten durch Kinder besorgen, "wodurch die Orgeln verderbt" werden. 1849 baut Eberhard Friedrich Walcker eine Orgel mit 21 Registern, verteilt auf 2 Manuale und Pedal mit mechanischen Kegelladen. 1972 tritt an die Stelle dieses Instrumentes von 1849 eine Orgel der Firma Walcker aus Ludwigsburg mit 38 Registern, verteilt auf 3 Manuale und Pedal. Prof. Herbert Liedecke entwirft die Disposition, Dr. Walter Supper den Prospekt. Schon 1985 muss eine Generalsanierung durch Orgelbaumeister Klaus Kopetzki (Murr) erfolgen. Diese behebt zwar die gröbsten Mängel, führt aber auf Grund der 1972 verwendeten minderwertigen Materialen nur bedingt zu einem befriedigenden Zustand des Instrumentes. Im Jahr 2002 kommen zwei Gutachten zu dem Schluss, dass eine weitere Restaurierung keine Lösung wäre, da das Instrument in einem nicht mehr reparablen Verfallsprozess begriffen ist. Seitdem wird ein Neubau angestrebt.
Die neue Grenzing-Orgel 2013
Das Instrument mit 35 Registern auf 3 Manualen und Pedal wurde gebaut mit der Zielsetzung einer zeitlos-klassischen Klangaussage, die sich vor allem in dem vorhandenen Raum entsprechend zu entfalten vermag. Ein warm füllender Klang, reich an Farben und musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten.
Disposition
I Hauptwerk (C – a’’’)
Salicional 16’
Principal 8’
Rohrflöte 8’
Viola di Gamba 8’
Spitzflöte 4’
Octave 4’
Superoctave 2’
Cornett III 2 2/3’
Mixtur maior IV – V 2’
Trompete 8’
III Schwellwerk (C – a’’’)
Lieblich Gedackt 16’
Flöte 8’
Viola 8’
Schwebung (ab c°) 8’
Traversflöte 4’
Fugara 4’
Flageolet 2’
Trompette harmonique 8’
Oboe 8’
Tremulant
II Positiv (C-a’’’)
Lieblich Gedackt 8’
Salicional 8’
Prinzipal 4’
Rohrflöte 4’
Quinte 2 2/3’
Doublette 2’
Terz 1 3/5’
Mixtur minor III 1 1/3’
Clarinette 8’
Tremulant
Pedal (C – f’)
Prinzipalbaß 16’
Subbaß 16’
Octavbaß 8’
Violoncello 8’
Choralbaß 4’
Posaune 16’
Trompete 8’
Koppeln: II/I, III/I, III/II, III/III 16’, I/P, II/P, III/P, III/P 4’
Schleifladen mit rein mechanischen Spiel- und Registertrakturen, Setzeranlage
Der Orgelbauer
Gerhard Grenzing, 2006 von der deutschen Fachzeitschrift Organ mit dem Titel „Orgelbauer des Jahres“ ausgezeichnet, erlernte das Handwerk des Orgelbauers bei Rudolf von Beckerath in Hamburg. In der Folgezeit vertiefte er seine Kenntnisse in verschiedenen europäischen Orgelbau-Werkstätten. 1972 folgte die Gründung seiner Orgelbauwerkstatt in El Papiol bei Barcelona, wo er ideale Arbeitsbedingungen vorfand. Seither wurde er mit mehr als 220 Neubauten und Restaurierungen weltweit betraut, u.a. in Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Portugal, Spanien, Schweiz, Korea, Japan, Amerika und Mexiko. Gerhard Grenzing ist Mitglied verschiedener wissenschaftlicher und fachlicher Verbände. Vom spanischen Kultusministerium wurde ihm die Silbermedaille für künstlerische Verdienste verliehen. Die Königlichen Akademien der Schönen Künste und Wissenschaften in Barcelona und Sevilla wählten ihn zum Mitglied. Von 2006 bis 2010 war Gerhard Grenzing Präsident der ISO (International Society of Organbuilders). Weitere Informationen finden Sie auf seiner Website www.grenzing.com.
Die Orgel der Winterkirche
Ehemalige Winterkirchenorgel von Goll 1792, heute in der Schlosskirche Rechenberg
Nach 1700 wird der vom Laiendorment abgetrennte heizbare Winterspeisesaal im 1.Stock als „Winterkirche“ hergerichtet. In ihr steht 1786 ein „sehr altes, geringes Werklein von 5 Registern“, das als zu klein für die in jenem Jahr vergrößerte Winterkirche empfunden wird. Zur geringen Orgelausstattung des Klosters erfahren wir: „Freunde von verschiedenen Religionen wollen dieses Altertum (das Kloster) sehen und wundern sich über die geringe Achtung, wie sie durch die schlechte Orgel gezeigt wird... Sie ist zur Kirchenmusik schon lange gänzlich unbrauchbar“.
Nach 1791 errichtet Johann Andreas Goll aus Weilheim eine neue Orgel für die Winterkirche mit 10 Registern. 1794 will die Gemeinde Schmie die alte Winterkirchenorgel für 20 Gulden erwerben, aber der Orgelmacher Bühler aus Vaihingen bietet einen halben Gulden mehr und erhält so den Zuschlag. (Zusammenfassung aus Helmut Völkl „Orgeln in Württemberg“, Hänssler-Verlag, Zitate aus Kleemann, Orgelbauer und Orgelmacher).
Ungefähr 1860 baut Johann Heinrich Schäfer (Heilbronn) für die Winterkirche ein neues Instrument mit 8 Registern auf einem Manual und Pedal mit mechanischer Kegellade. Diese Orgel tut fast 100 Jahre ihren Dienst. In dem Schriftverkehr von 1955 lesen wir, dass sich anlässlich der Erneuerung der Winterkirche 1954 auch die Frage der Reparatur der Orgel sowie einer etwaigen Umstellung derselben ergeben hat. Eine durchgreifende Reparatur wäre nach dem Gutachten der Firma Weigle auf 9200 DM gekommen und wird als viel zu kostspielig erachtet: „Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass diese Orgel den heutigen liturgischen Grundsätzen nicht mehr genügt, da das moderne gottesdienstliche Spiel zwei Manuale erfordert“.
Im Sommer 1958 baut Firma Walcker aus Ludwigsburg eine Orgel mit 13 Registern auf 2 Manualen und Pedal mit mechanischer Schleiflade, unter teilweiser Verwendung von Pfeifen aus der alten Orgel. Da die Firma Walcker die Orgel mit ihren 13 Registern auf engsten Raum drängt, gibt es seit 1978 ständig Probleme bei der Wartung. In den folgenden Jahren treten zunehmend Störungen und Abnutzungserscheinungen auf, so dass der Kirchengemeinderat 1994 zu der Überzeugung kommt, dass die Renovierung der in der Nachkriegszeit erbauten „Billigorgel“ auf Dauer nicht sinnvoll ist und durch ein neues Instrument ersetzt werden muss.
Durch die tatkräftige Unterstützung des Orgelfördervereins Kloster Maulbronn e.V. kann im April 2000 die von der Orgelbauwerkstätte Claudius Winterhalter in Oberharmersbach erbaute Orgel eingeweiht werden.
Die Disposition der Winterhalter-Orgel aus dem Jahre 2000:
Hauptwerk (Manual I)
Principal 8'
Holzflöte 8'
Oktave 4'
Spitzflöte 4'
Doublette 2'
Mixtur III/V 1 1/3'
Quinte 1 1/3'
Nebenwerk (Manual II)
Salicional 8'
Gedeckt 8'
Fugara 4'
Rohrflöte 4'
Quinte 2 2/3'
Terz 1 3/5'
Principal 2'
Quinte 1 1/3'
Oboe 8'
Tremulant'
Pedalwerk
Subbass 16'
Octavbass 8'
Bassoctave 4'
Fagott 16'
Koppeln
I/II, Sub II/I,
I/P, II/P, Super II/P
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